Samstag, 28. April 2018

Woanders ist das Gras immer grüner

Verena Carl: Die Lichter unter uns. 317 Seiten. 20.- €. S.Fischer
Anna und Jo machen mit ihren Kindern Urlaub in Taormina auf Siziilien.Es handelt sich um eine ganz normale Familie. Die 10jährigen Judith und der 6jährigen Bruno nehmen ihre Eltern mit kindlichem Egoismus voll in Anspruch, die Eltern sind eher ein eingespieltes Team als ein Liebespaar, das Ferienbudget ist knapp. Vor Jahren haben Anna und Jo auf der Insel ihre Flitterwochen verbracht, damals allerdings luxuriös in der „Villa Mare“.
Am Strand trifft Anna zufällig auf die Reichen und Schönen: Alexander, Mitte 50, seine junge Geliebte Zoe und sein erwachsener Sohn Florian scheinen ein sorgloses, glamouröses Leben zu führen. Doch Anna sieht nur den schönen Schein. Tatsächlich ist Alexander krank und Zoe betrügt ihn mit Florian. Annas projiziert ihre Sehnsucht nach einem anderen Leben auf Alexander, den sie über ihre Kinder auch tatsächlich kennenlernt. Erst als ihre Tochter Judith in Lebensgefahr gerät, erkennt Anna, was ihr ihre Familie bedeutet. Und Alexander, der in die Rettung Judiths involviert ist, muss sich der Wahrheit über sich und seine Familienverhältnisse stellen.
Mit einer literarischen Sprache, die Bilder im Kopf entstehen lässt, beschreibt Verena Carl das Verhalten der Personen, ihre Gefühle, Träume und Lebenslügen. Ein vielschichtiger, psychologisch spannender Roman, dem ich ganz viele Leserinnen und Leser wünsche.

Dienstag, 24. April 2018

Liebenswerter Lebenslauf

Heike Pfaller, Valerio Vidali: Hundert. Was du im Leben lernen wirst. 100 Seiten, 20.- €
Ich muss gestehen, bevor ich das Buch aufschlug, war ich etwas skeptisch: Eine Einteilung, was man als Mensch Jahr für Jahr lernt? Das würde bei mir bestimmt nicht greifen. Schließlich habe ich schon häufig festgestellt, dass ich nicht in ein festes Zeitschema passe.  Aber meine Sorge, es handele sich um eine strikte Tabelle von der Wiege bis zur Bahre war unbegründet. Heike Fallers Buch hat einen viel charmanteren und liebenswerteren Ansatz: Sie hat viele Menschen unterschiedlichen Alters und Nationalität befragt, was sie in bestimmten Phasen ihres Lebens erfahren haben. Das hat sie dann auf jeweils einen Kernsatz pro Jahr verdichtet. Es beginnt mit der Geburt: "0 - Du lächelst, zum ersten Mal in deinem Leben. Und die Anderen lächeln zurück", und endet mit „99 - Hast Du Irgendwas im Leben gelernt?". Valerio Vidali hat die Lebenserfahrungen auf jeder Seite kongenial und fantasievoll illustriert. Herausgekommen ist ein zauberhaftes Buch, humorvoll und berührend.
Ein wunderbares Geschenk für Freunde und eine Inspiration, einmal über die eigene Entwicklung nachzudenken..

Samstag, 21. April 2018

Die Reise nach Indien

Dr. Vinod Verma: Gesund durch Ayurveda. Die Basics des indischen Heilwissens für ein langes Leben. 207 Seiten. 18,99 €. Knaur Menssana
Kürzlich las ich den begeisterten Bericht einer Redakteurin, die sich in einem indischen Luxusressort einer Ayurvedakur unterzogen hatte. Sie fühlte sich anschließend voller Energie. Schön, aber wer kann es sich schon leisten - sei es zeitlich oder finanziell -, dazu nach Indien zu reisen. Das muss auch nicht sein, denn für den Hausgebrauch hat die Biologin Vinod Verna eine Anleitung geschrieben.
Der Ratgeber ist in 5 Kapitel unterteilt: 1. Gesundheit ist Gleichgewicht. 2. Organisiert leben. 3. Entgiftung: eine Grundvoraussetzung für Wohlbefinden. 4. Leitfaden für eine gesunde Lebensführung. 5. Aahaar – die Ernährung. Grundlage sind natürlich die Grundprinzipien des Ayurveda, mit der bekannten Typeneinteilung in Vata, Pitta und Kapha, sowie deren Mischtypen. Als LeserIn kann man sich selbst gut einordnen. Man erfährt, welche Anzeichen auf eine Disharmonie hindeuten und wie man sie mit Entgiftung, Hautpflege, Atem, Achtsamkeit und Ernährung wieder in die Balance bringt. Ein gutes Drittel besteht aus passenden Rezepten, die sich sämtliche mit heimischen Zutaten zubereiten lassen.
Ein praktisches, verständliches Buch für alle, die die indische Wissenschaft des Heilens für sich selbst anwenden möchten. Selbst wer nicht das gesamte Programm durchführt, kann sich davon inspirieren lassen.    





Sonntag, 15. April 2018

Magische Welt

Haruki Murakami: Die Ermordung des Commendatore. Eine Idee erscheint. Bd. 1. 26.- € . DuMont

Ich bin ein Fan von Murakami. Wenn man einen Autor mag, dann muss man natürlich jedes neue Buch von ihm lesen. Wie alle Bücher Murakamis spielt auch dieses mit Geheimnissen. Dem namenlosen Ich-Erzähler passiert im Äußeren gar nicht viel - und doch entsteht Spannung durch die Beschreibung innerer Vorgänge und magischer Vorkommnisse. Nach und nach wird man in eine andere Welt hineingezogen.
Die Story: Nachdem ihn seine Frau verlassen hat, fährt ein 36jähriger japanischer Porträtmaler zunächst ziellos durchs Land. Ein Freund bietet ihm schließlich an, das Haus seines alten, dementen Vaters zu hüten, der es früher auch als Atelier genutzt hat. Er hatte in den 30ger Jahren in Wien moderne Malerei studiert, wurde aber später ein bekannter Vertreter des Japanischen Nihonga Stils. Das Haus liegt abgeschieden an einem Hang im Wald. Auf dem Dachboden entdeckt der Porträtmaler ein unbekanntes Bild des alten Malers  mit dem Titel "Die Ermordung des Commendatore" und versucht daraufhin interessiert, mehr über sein Leben herauszufinden. In der Villa am Hang gegenüber lebt ein reicher Unternehmer, der sich aus der Gesellschaft zurückgezogen hat. Er beauftragt den Porträtmaler, ein Bild von sich anzufertigen und sitzt dafür Modell. Der Auftrag inspiriert den Porträtmaler zu einem neuen künstlerischen Stil. Maler und Modell kommen sich näher und werden gemeinsam in mysteriöse Ereignisse verstrickt: Glocken klingen nachts aus einer Erdgrube, eine Idee inkarniert sich in der Gestalt des Commendatore aus dem Gemälde. Schließlich bittet der Unternehmer seinen Porträtisten um einen besonderen Gefallen…Hier endet der Roman, der vom Autor auf eine Fortsetzung angelegt ist.
Wieder einmal ein Leckerbissen für Murakami-Fans und eine Empfehlung für alle, die es werden wollen.  

Dienstag, 3. April 2018

Gefährliche Liebschaften

Carlos Del Amor: Die einzig wahre Liebe. 234 Seiten. 10.- €. Atlantik Verlag

Die Story: Ein Journalist und Schriftsteller verbringt den Hochsommer allein in Madrid, weil er an einem Roman arbeiten will. Aber ihm fehlt noch ein zündendes Thema. Sämtliche Bewohner des  mehrstöckigen Haus, in dem er lebt, sind im Urlaub. Zufällig findet er im Treppenhaus den Schlüsselbund der ebenfalls abwesenden Concierge und verschafft sich damit Zutritt zu den Wohnungen seiner Nachbarn. Dort entdeckt er beim Lesen alter Briefe und dem Betrachten von Fotos so manches, was ihm sonst verborgen geblieben wäre. Vor allem aber fasziniert ihn die Wohnung von Simón, dessen Frau Ana vor Jahren verstorben ist und der ihr bis heute nachtrauert. Er entschlüsselt ein sorgsam gehütetes Geheimnis: Ana hat Simon betrogen und wurde von ihrem Liebhaber aus dem Fenster gestoßen. Am Ende hat der Schriftsteller durch seine „Hausbesuche“ den Plot für seinen Roman gefunden.
Carlos del Amor beschreibt - entsprechend den Entdeckungen seines Protagonisten in der jeweiligen Wohnung -, kurze (Lebens-)Geschichten aus der Perspektive der Bewohner. Etwa die von Amalia, die ihre behinderte Tochter pflegt, von Marcos, der als Postbote Briefe hortet oder von Hector, der ein Verhältnis mit Ana hatte. Auf diese Weise entsteht beim Lesen das Gefühl, man begleite den Eindringling bei seinen heimlichen Besuchen und nähme am Leben der Bewohner Teil, an ihrem Schmerz, ihrer Trauer, ihrer Lust und Liebe.
Ein fantasievolles Buch, das sich gut als Urlaubslektüre eignet - vorzugsweise natürlich in Spanien.